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zur wanne

IN DER KUBATUR DES KABINETTS - der Kunstsalon im Fluc zeigt

Wednesday, 11. July

VERHÄLTNISSE // CONDITIONS

mit Arbeiten von

Katrin Hornek
Stefan Klampfer
Seth Weiner
Angelika Wischermann

Kuratiert von Georgia Holz und Claudia Slanar
Musik von Noële Ody und Kimberly Clark

EVENT: externer link


Ein Verhältnis ist eine Beziehung, in der sich etwas mit etwas vergleichen lässt; ein äußerer Zustand, eine Liebesbeziehung. Der “äußere Zustand” des Bahnhof Praterstern und dessen unmittelbarer Umgebung hat sich seit dem 27. April 2018 stark verändert. Seitdem präsentieren sich Vorplätze und Unterführungen nur von passierenden Besucher_innen des nahegelegen Praters sowie Benutzer_innen der Verkehrsmittel durchzogen. Permanenter Aufenthalt wurde (und wird) von regelmäßigen Polizeikontrollen unterbunden, für die die Exekution des Alkoholverbotes vermutlich nur ein willkommener Anlass ist. Wie beeinflusst ein derartiger Eingriff in die Verhältnisse nun ebenjene? Wie wirkt die Ideologie, die hinter einem solchen Eingriff in die Benutzbarkeit des öffentlichen Raumes steckt, weiter? In die Lokale? In die Aufenthaltsorte von Menschen rund um diesen Verkehrsknotenpunkt? Was bedeutet dies für eine Gesellschaft, wenn wir sie als durch die Summer der Beziehungen von Individuen untereinander konstituiert betrachten?
Die eingeladenen Künstler_innen widmen sich diesem Komplex auf unterschiedliche, mitunter abstrahierende Weise. Den divergierenden künstlerischen Strategien ist es gemein, dass sie die Genese und Geschichte materieller Artefakte als Vertreter_innen einer Gesellschaft in diesem Zusammenhang untersuchen und dabei Stränge unterschiedlicher Diskurse verweben. Beziehungsgefüge innerhalb dieser Betrachtungen sind offen, wechseln ständig und erfordern eine entschleunigte Ökonomie der Aufmerksamkeit und des Sich-Einlassens auf unerwartete Konstellationen. Dabei kann es um Entwürfe persönlicher Kosmologien, um das künstlerische Selbstverständnis oder die Wechselwirkung von Idee und Material gehen. Ebenso wie um ökologische Bedingungen, die unser Verhältnis zur materiellen Welt und das Gewebe, das sie zusammenhält, radikal verändern und aufzeigen, wie wir von zeitgenössischer Politik und Materialität konstituiert und beherrscht sind.

Katrin Hornek
Carbon Creatures, 2018
3 Plakatdrucke
Courtesy die Künstlerin
Katrin Hornek´s Beitrag beschäftigt sich mit ökologischen Veränderungen, die Ausdruck unseres wechselseitigen Verhältnisses und Umgangs mit unserer materiellen Umwelt im Zeitalter des Anthropozäns sind, konkret wie unseren CO2 Ausstoß das Klima beeinflusst. Ihre Collagen sind Teil einer fortlaufenden Serie mit dem Titel Carbon Creatures, bei der sich die Künstlerin mit Forschungen zu Prozessen der Dekarbonisierung (CO2 re-editing) beschäftigt. Wirtschaft und Wissenschaft suchen fieberhaft nach Verfahren, um das vorhandene CO2 aus der Luft oder industriellen Kreisläufen zu filtern und vom gasförmigen in einen festen Zustandzu bringen. Eine Möglichkeit ist das CO2 zu kalkhaltigen Gestein zu mineralisieren und so erneuten Verwertungskreisläufen (z.B. als Baumaterial) zuzuführen. Ein Versuch, sich dem Klimawandel zu widersetzen bis Ressourcen schonendere Energieträger gefunden werden. Das kommt einem Schnitt durch die Zeit gleich, da natürliche geologischen Prozesse massiv verkürzt werden, ohne vorhersagen zu können, welche Konsequenzen das haben wird.
Der Mensch spielt in diesen Prozessen eine bestimmende Rolle, wobei die Wissenschaft durchaus spekulativ agiert und Arbeitsweisen etabliert, die künstlerischen Methoden nahe stehen. Methoden, die Katrin Hornek in ihre Collagen übersetzt, dort finden paradoxe Konstellationen und spekulative Verwandtschaften, wie sie für solche vom Menschen initiierte Prozesse symptomatisch sind, spielerisch zueinander. Verschiedenste Akteur_innen gehen kurzfristig lose Verbindungen ein, die ein punktuelles Bild von den komplexen und fluktuierenden wechselseitigen Verflechtung zwischen Natur und Kultur zeichnen.

Katrin Hornek, geboren 1983, lebt und arbeitet in Wien. 2003-08 hat sie an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Monica Bonvicini studiert, 2007 als Gast an der CalArts in Los Angeles und 2006 an der Royal Danish Academy of Fine Arts. Derzeit arbeitet sie im Rahmen des interdisziplinären WWTF Forschungsprojektes “The Anthropocene Surge - Evolution, Expansion and Depth of Vienna´s Urban Environment” an einem Essayfilm, der die Vermessung und Digitalisierung des Anthropozäns von “strata to data” mitverfolgt, um die Berührungspunkte zwischen analogen und digitalen Ablagerungen und deren potenzielle Wechselwirkung nachzuspüren. externer link

Stefan Klampfer
o.T., 2018
Plakatdruck
Courtesy der Künstler

Stefan Klampfers zentrale künstlerische Methode ist die Suche, die Suche nach Materialien, deren Eigenschaften und ihrem skulpturalem Potential, das er in variierenden Konstellationen und unterschiedlichen Formen erprobt. Die Suche ist auch Motivation für das Fotografieren, denn der Künstler ist nicht an einer endgültigen Form seiner Arbeiten interessiert, diese sind meist nur von kurzer Dauer. Quasi in Versuchsreihen (re)arrangiert er sie im Atelier oder auch an temporären Orten und dokumentiert mit der Kamera einzelne Arbeitsschritte und prozesshafte Stadien, macht sichtbar, wie sich eine (künstlerische) Idee materialisiert. Die meist gefundenen Objekte und Dinge erhalten keine fixe Zuschreibung, sondern wechseln ihren Status und ihre Funktion innerhalb seiner Praxis, oder werden aussortiert bzw. zurück gelassen. Sie fluktuieren zwischen temporären Komponenten für Skulpturen, Entwurf oder einfach nur Gebrauchsgegenstand, gehen immer neue wahlverwandtschaftliche Verhältnisse ein. Diese Praxis erlaubt es Klampfer nicht nur, den Skulpturenbegriff immer wieder neu zu verhandeln, sondern generell zu fragen, was als Kunst definiert wird und was nicht. Sein Interesse an gefundenen und leicht verfügbaren Materialien basiert einerseits auf dem Wunsch nach Autonomie von finanziellen und zeitlichen Faktoren aber auch auf einem ausgeprägten Konsumskeptizismus.
Die Fotografien machen die tatsächliche künstlerische Arbeit, die Zwischenschritte sichtbar, das “Endprodukt” ist weniger Ziel als Vehikel für den Prozess. So auch in der Fotoarbeit o.T. . Hier liegt Stefan Klampfers Interesse neben dem ästhetischen auf dem akustischen Potential von Alltagsgegenständen, die er in einer Art Versuchsanordnung ausbreitet: Dosen, Eimer, Lampen, Holz- und Metallstäbe sind wie ein Stillleben auf dem Arbeitstisch arrangiert. Das Mikrofon ist einziges Indiz dafür, dass Stefan Klampfer nicht nur an der Form sondern auch am Klang der Materialien interessiert ist, und Klang als räumliche Dimension denkt.

Stefan Klampfer wurde 1979 in Kitzbühel geboren und studierte von 2006 bis 2012 an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Manfred Pernice und Heimo Zobernig. Er lebt und arbeitet in Wien. Stefan Klampfer beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der dynamischen Entwicklung und Erweiterung des Skulpturenbegriffs. Er versteht den Raum als soziales Konstrukt und ist am Verhältnis von Raum und Subjekt interessiert. externer link

Seth Weiner
Praterstern Koozies, 2018
Moosgummi, Siebdruck
Courtesy der Künstler

Seth Weiner arbeitet oft ortsspezifisch, wobei dies nicht mit einem Eingriff in die räumliche Situation eines Ortes verbunden sein muss, sondern oft das soziale Gefüge meint. Mit Praterstern Koozies überträgt er ein Artefakt aus der amerikanischen Konsum- und Unterhaltungskultur mit einer ganz spezifischen Geschichte in den Bar- und Ausstellungsbetrieb des fluc. Koozies sind Hüllen aus Isolationsmaterial wie Styropor oder Neopren, um Bier-Dosen und -Flaschen kühl zu halten. Der Name stammt von jenem Erzeuger, der sich die Erfindung in den frühen 1980er Jahren patentieren ließ, und funktioniert seitdem als Produkt-Synonym. Aneignung und Transfer dieser Bierhüllen in andere kulturelle Verhältnisse (und an einen anderen Ort) bewirken nun zweierlei. Die Hüllen verlieren durch das von Seth Weiner verwendete Material ihre ursprüngliche Funktion, denn Moosgummi wird für Dichtungen, Kleidungsstücke und als Bastelmaterial verwendet wird, kühlt jedoch nicht. Gleichzeitig tritt die Verhüllungseigenschaft der Koozies in den Vordergrund und damit die Tarnungs- und Täuschungsfunktion. Denn Marke, Getränkename oder der etwaige Alkoholgehalt eines Getränks werden durch die Hüllen verdeckt, die somit nur mehr als Werbeträger fungieren. Auch hier greift der Künstler ein und anstatt der Logos von Sportteams oder anderen Stadion-kompatiblen Produkten zieren die Praterstern Koozies Ankündigungen von Geburtstagsfeiern und Initationsriten, die alle bereits stattgefunden haben. Das Datum dieser Ereignisse ist immer dasselbe: der Tag des Alkoholverbotes am Praterstern. Wie die berüchtigten “brown paper bags” in den USA verdecken die Hüllen nun den Getränketypus, reflektieren dabei aber die Frage nach gesellschaftlichen Übereinkünften, individueller Freiheit und der problematischen Wirksamkeit von Verboten.

Seth Weiner wurde 1982 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren. Er studierte Malerei an der University of Michigan, Ann Arbor, sowie Architektur am Southern California Institute of Architecture (Sci-Arc) in Los Angeles. Im Rahmen seiner gegenwärtigen Leitung des virtuellen PALAIS DES BEAUX ARTS beschäftigt er sich mit Institutionen zwischen Fiktionalität und ortsgebundener Praxis. Er lebt und arbeitet in Wien.externer link www.sethweiner.org

Angelika Wischermann
Regendach, 2018
Holz, Schlauch, Markisenstoff, Wasser
Courtesy die Künstlerin

“Für mich ist Kunst etwas Verspieltes, das den Betrachter_innen Freude bereiten und gleichzeitig die Dinge hinterfragen lassen sollte,” meint Angelika Wischermann zu Regendach. In dieser Arbeit, die zwischen Skulptur und Architektur schwankt, stellt sie die Verhältnisse buchstäblich auf den Kopf: Ein kleiner, überdachter Pavillon wird auf der oberen Terrasse des fluc installiert. Anstatt aber Schutz vor widrigen Wetterverhältnissen zu bieten, regnet es unter der Überdachung. Mit den bereit gestellten Regenschirmen können sich die Gäste des fluc jedoch gut geschützt jenem Element aussetzen, vor dem sie sich eigentlich schützen wollten. Die Absurdität dieser Situation ist ein Zustand, den Wischermann bewusst herbeiführen will, dessen Potential sie interessiert: “Mein Wunsch ist es, gegen das Verstehen und gegen die Sinnhaftigkeit vorzugehen.” Gleichzeitig hat diese “bauliche Maßnahme” durchaus gemeinschaftsstiftende Funktion, denn gemeinsam wird nun dem Sinn getrotzt, und was sich für das Individuum als tragisch erweisen könnte, wird im Kollektiv erlebt zum surrealen Theater. Auf dieser Bühne - denn durch den räumlichen Eingriff vor dem “Bühnenfenster” des fluc ergibt sich auch eine Umkehrung der Blickachsen - wird der Zustand der mangelnden Sinnhaftigkeit ausgestellt. Gleich einem Beckett´schen Stück können die Benutzer_innen auf der Umkehrung der Verhältnisse beharren, obwohl die Dauer natürlich begrenzt ist und nicht zuletzt in der Hand der Künstlerin liegt. Das ist in der gegenwärtigen Situation der Welt ein zutiefst politisches Statement.

Angelika Wischermann, geboren 1983 in Herdecke, Deutschland, studierte von 2006 bis 2009 Bildhauerei und Medienkunst an der Muthesius Kunsthochschule Kiel, von 2009 bis 2013 Bildhauerei und Multimedia bei Erwin Wurm u.a. an der Universität für angewandte Kunst Wien (Diplom 2013 bei Martin Walde). Derzeit arbeitet Wischermann an Installationen und Performances, für deren Realisation sie gezielt nach geeigneten Orten sucht oder sie dem jeweiligen Ort anpasst. Sie lebt und arbeitet in Wien.externer link www.angelikawischermann.com




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